Sonja Schrader. Mir-mich-uns-uns-Einverleiben
Vorbereitungen
Die ersten Abzüge
„Unter dem Arbeitstitel „Mir-mich-uns-uns-Einverleiben“ wird Sonja Schrader Vorgänge innerhalb einer 4-Personen Gesellschaft graphisch auf den Tisch bringen. Es sollen Holzschnitte entstehen, die sowohl den Prozess der bildnerischen Verdichtung, als auch das Beziehungsgeflecht der Personen visualisieren.„
Bilder: Corinne Holthuizen-Habermann
REINHARD (von Dominique Macri)
am tisch der junge
mit den kurzen ärmchen
reinhard.
mit den leuchtenden gedanken.
rüm hart. dem die welt zahllose bilder malt
in seinen durchsichtigen kopf
reinhard
der drachen ins holz ritzt
kurzatmig, hastig, die finger feucht
und tief versunken
reinhard
unsichtbar,
wie ein gefäß von bildern und gedanken
die langsam ihren weg
durch seine finger finden
sich in den lack
kratzen immer tiefer
bis ins holz hinein
reinhard
all die fliegenden kinder hinter deiner stirn
zahllose versionen deiner selbst
die raubfische, die schornsteine und wolkengebilde
werden zu giftpflanzen
nach denen deine kleinen hände greifen
langsam zum mund
der scharfe geschmack
die zuschwellende Kehle
reinhard
die glatten hände deiner mutter
der abwesende blick in die sterne
während sie wachte über deinen schlaf
die weißen gefäße
in die sie das blut fließen ließ
der geschächteten ziegen
die füße der riesen
der nachtwächter, der tanzenden holzfiguren in deinen träumen,
die langen nasen immer länger
immer weiter hinaus
bis du fällst, vornüber
das gesicht in die trockene erde,
reinhard
der unsichtbare junge
mit den farben im kopf
der sich goldene himmelswagen baut
der auswege in die welt sägt
die menschen seziert in gedanken
wie mit kettensägen aushölt
ihr inneres nach außen kehrt,
der alles sieht
der malt wie kein zweiter
der tanzt ohne halten
so dass er nur mehr fuß ist
ein riesiger fuß
der tanzt, tanzt bis die erde bebt
erzittert unter seinen hufen
bis alles verschwindet
reinhard!
verdammt nochmal
reinhard. hörst du denn nicht?
gedankenloses kind.
nun mal es endlich aus. dein bild.
es klingelt gleich.
Dieser Text ist im Rahmen des „Musik-Poetry-Projekts“ von Kult-Raum e.V. am 8. September 2018 entstanden und beim abschließenden Konzert erst- und einmalig von Dominique Macri vorgetragen worden.
Sonja Schrader
lebt und arbeitet in Berlin
2013/14 Gastprofessur für Naturstudium im FB Kunst, Kunsthochschule Burg Giebichenstein
2011 Diplom im FB Kunst, Bildhauerei, Kunsthochschule Burg Giebichenstein
2016 Atelierförderung bbk, Berlin
2014 Filmförderung WAGEMUTIG der Kunststiftung Sachsen-Anhalt
2012 Arbeitsstipendium der Kunststiftung Sachsen-Anhalt
2011 Graduiertenförderung der Kunsthochschule Burg Giebichenstein
2011 Kunstpreis Saalesparkasse