Susanne Ring
Grafik: Rainer Ehrt
Das Ausstellungsjahr 2023 beginnt mit einer alle Räume des Landarbeiterhauses umfassenden Solo-Ausstellung der Berliner Künstlerin Susanne Ring. Ihr vielseitiges Werk umfasst im Schwerpunkt Malerei und Kleinplastiken, die im Gesamtkontext von Ensembles entstehen; ihre keramischen Skulpturen changieren auf hintergründig-ironische Weise zwischen Folklore, Kitsch und ambivalenter Naivität.
Ausstellung vom 15. Januar bis 19. Februar
Eröffnung am 15. Januar um 16 Uhr
Es spricht Rainer Ehrt.
Geöffnet Samstags und Sonntags von 14 bis 18 Uhr
und nach Vereinbarung (Telefonisch anmelden unter 0173 – 8112451)
Der Eintritt ist frei. Hinweise zum Besuch der Ausstellung im Landarbeiterhaus hier. Wenn Sie direkt informiert werden möchten, abonnieren Sie unseren Newsletter
Eine sanfte Revolte aus Imagination, Freiheit und Spiel
„Kaum hatte er so alles durch feste Grenzen voneinander geschieden, begannen die Sterne, die lange von undurchdringlicher Finsternis bedeckt worden waren, am ganzen Himmel aufzuleuchten. Damit keine Region ohne eigene Wesen sei, erfüllten die Sterne und die Gestalten der Götter das Himmelsgewölbe, den schillernden Fischen ließ man die Wogen, sie zu bewohnen, das feste Land nahm die Wildtiere auf, die bewegliche Luft die geflügelten Lebewesen. Bisher fehlte aber eines, erhabener als diese und fähiger, einen hohen Verstand zu fassen, das über die anderen herrschen konnte. Prometheus, der Sohn des Iapetus formte den Lehm des Erdbodens, gemischt mit Regenwasser, zum Ebenbild der Götter. Während die anderen Wesen vornübergebeugt auf den Boden blicken, gab er dem Menschen ein Gesicht, das nach oben gerichtet ist und befahl ihm, das Antlitz zu den Sternen zu erheben.“
So weit Ovid, wie er den antiken Schöpfungsmythos beschreibt – eine Assoziation, die mich gleich bei der ersten Begegnung mit Susanne Rings keramischen Figuren ankam. Es sind keine massiven monolithischen Blöcke, sondern fragil gebaute Hohlkörper, mitunter Gefäße, wie sie ähnlich unsere frühen Vorfahren (vor der Erfindung der Töpferscheibe) formten: Die mit Wasser geschmeidig gemachten unmittelbar erreichbaren elementaren Stoffe der Erde, die uns trägt und nährt, frei formbar in jede phantastische, animistische oder imaginative Richtung, dann mittels Feuer gehärtet, was auch – mittels anderer mineralischer Erden – Farbe und Glanz ermöglicht. Erde, Wasser, Feuer – elementarer geht es nicht, aber erst mit dem sozusagen prometheischen Lebenshauch geschieht die entscheidende Verwandlung.
Übrigens befinden wir uns mit den Objekten Susanne Rings hier im Landarbeiterhaus ja eigentlich in einem weiteren keramischen Gefäß: Nichts anderes ist doch so ein Haus aus gebrannten Glindower Ziegeln, ein planvoll gebautes gebranntes Gefäß voller hundertjähriger menschlicher Echos, Tapetencollagen, einander überlagernden Kalkpigmenten, märkischer Erde entsprossenen Kiefernhölzern, nun bewohnt von Susanne Rings keramischen Traum-Wesen und malerischen Collagen, Mädchen, Bräuten, Köpfen, Masken und einem blauen Hund.
Zusammen mit den als Sockel dienenden kuriösen Möbelstücken verschiedenster menschlicher Wohnzeitalter (zwischen ihnen und ihrem jeweiligen keramischen Gefährten besteht offensichtlich eine Liebesbeziehung) entsteht ein ebenso lustvoller wie provokativer Raumklang, der beinahe zwingend Stille erfordert und Alleinsein – es wird ihnen, liebe Kunstfreunde, also nichts anderes übrig bleiben, als an einem der nächsten Wochenenden noch einmal hierher zurück zu kehren.
Susanne Ring stammt aus Mainz und hat an der HdK und der Kunsthochschule Berlin Weißensee studiert, sie war an der Bauhaus- Universität Weimar, an der HdK Dresden, in Potsdam, Halle, Linz, Kiel, aktuell in Bielefeld vielfältig als künstlerisch Lehrende tätig und hat eine beeindruckende expansive Ausstellungsbiografie vorzuweisen.
„ Susanne Rings Körperplastiken sind weit entfernt von einer Welt der sozialen Kontrolle oder der Zurichtungen der immer ungenügenden Physis durch Interventionen von body shaping bis plastischer Chirurgie. Ihre Kunst thematisiert eine Revolte des Körperlichen gegen Kontrolle und Normierung.“ Schreibt Stefan Lüddemann.
Es ist dies aber keine gewaltsame sondern viel eher eine sanfte Revolte, die aus Imagination, Freiheit und Spiel kommt: Das schließt – jenseits aller konsumideologischer Zurichtung im späten Kapitalismus – alles ein, was Mensch sein eigentlich ausmacht: Das Unvollkommene, das Rauhe und das Zarte, Wunschtraum und Alptraum, Kühnheit und Gebrechlichkeit, Eros und Thanatos. Hier kehre ich noch einmal zurück in die Antike zu einem Kollegen des Ovid, Äsop, der in einer seiner Fabeln sagt: „Prometheus rührte den Lehm, aus dem er den Menschen schuf, nicht mit Wasser an, sondern mit Tränen.“ Dies scheint eine grundlegende Skepsis über unsere menschliche Spezies (von wem und woraus immer sie geschaffen wurde) auszudrücken – aber immerhin gibt es auch Freudentränen!
Die Ausstellung ist eröffnet.
Rede zur Eröffnung von Rainer Ehrt