Beilfuß | Schmidt
Grafik: Rainer Ehrt
Expressive Malerei trifft provokante Plastik
Franziska Beilfuß (* 1986 in Berlin) studierte an der Universität der Künste Berlin (UdK) und an der University Of The Arts London, Central Saint Martins, sowie an der Freien Universität Berlin. 2018 erhielt sie den Meisterschülertitel der Udk. Ihre Bilder voller intensiver, emotionsgeladener Farbigkeit entstehen in einem offenen Prozeß auch durch kontrollierten Zufall und sind im doppelten Sinn vielschichtig: Pastositäten kontrastieren mit glasierten, transparenten Oberflächen.
Verena Schmidt (* 1981 in Wiesbaden) studierte 2008-2013 Bildende Kunst an der Universität der Künste (UdK) Berlin. Seit 2017 lebt und arbeitet Verena Schmidt in Wiesbaden. In ihren Installationen und provokativ-doppelbödigen Skulpturen spielt sie mit den Grenzen gängiger Diskurse in der Malerei, Bildhauerei und im Bereich künstlerischer Interventionen. Ein wiederkehrendes Motiv in Verena Schmidts bildhauerisch-installativen Arbeiten ist das Material Stein. Dieses wird oft humorvoll nach seinen materiellen, soziokulturellen sowie semantischen Eigenschaften befragt und ad absurdum geführt.
Ausstellung vom 15. Oktober bis 19. November
Gespräch und Führung mit Franziska Beilfuß
am 21. Oktober um 16 Uhr.
Musikalische Finissage mit Laia Genc (Piano) und Daniel Casimir (Posaune)
am 19. November um 16 Uhr.
Geöffnet Samstags und Sonntags von 14 bis 18 Uhr
und nach Vereinbarung (Telefonisch anmelden unter 0173 – 8112451)
Der Eintritt ist frei. Hinweise zum Besuch der Ausstellung im Landarbeiterhaus hier. Wenn Sie direkt informiert werden möchten, abonnieren Sie unseren Newsletter
Die Bilder von Franziska Beilfuß und die Skulpturen-Assemblagen von Verena Schmidt entfalten zusammen, gleichzeitig, jede für sich, miteinander und in wechselnden Dialogen große künstlerische Energien. Gleichzeitig — unter diesem Begriff wollten die beiden diese Ausstellung auch verstanden wissen:
„In Verenas Installationen habe ich mich gefühlt wie ein Astronaut auf Entdeckungstour. Leider haben wir uns an der UdK 2014 knapp verpasst, aber in der Erinnerung ist mir ihr eigener Kosmos noch sehr nah. Diese Nähe in unseren Arbeitsansatz erzeugt auch eine große Reibung, der ich gerne mit Verena zusammen in einer Ausstellung begegnen möchte“
Franziska Beilfuß
Während Franziska Beilfuß sich vom Objekt zur Tafelmalerei bewegt hat, ging Verena Schmidt den umgekehrten Weg: Von den fest definierten vier Ecken des Bildes zum Objekt im Raum. Eine interessante ungleichzeitige Gleichzeitigkeit oder gleichzeitige Ungleichzeitigkeit hat sich da offenbar abgespielt, und kommt nun hier heute in unserem Landarbeiterhaus erstmals zusammen.
Die Bilder von Franziska Beilfuß sind derart sprechend, dass es paradoxerweise schwer fällt, darüber zu sprechen. Ich will es dennoch versuchen: Formal werden über einer transparenten Anlage mit Acrylfarben massive Schichten von Ölfarbe gelegt, gemalt, wie in Trance hingewischt, exzessiv gespachtelt und teilweise wieder abgekratzt — satte, pastose Schichten mischen sich mit halb transparenten Flächen, komplementäre Kontraste von kalten Grüns und eisigen Blaus zu glühenden Oranges und sonnenstrotzenden Gelbs werden mit großer Kühnheit und Leidenschaft ausgespielt. Die Spontaneität und Dynamik des Malprozesses ist geradezu greifbar, die Kompositionen scheinen, so sauber gerahmt und sorgfältig gehängt wie sie am ende sind, dennoch noch in brodelnder Bewegung. Das ist es vielleicht, was diese Bilder auszeichnet: Die emotionsgeladenen Energien, aus denen sie entstanden, sind weiter in ihnen und uns Betrachtern wirksam, auch wenn die Farben längst getrocknet sind.
Verena Schmidts Raum-Objekte entziehen sich dem gängigen Begriff einer schön geformten Skulptur.
„Meine Objekte und Arrangements sind stets ephemere Konstrukte oder wandelbare Module, die nur innerhalb eines Kontextes und des Raumbezuges eine feste Kontur erhalten …. Sie befinden sich in einem ständigen Zustand der Bewegung, in dem sie je nach neuem Setting, entweder Statist oder Hauptdarsteller sind.“
Verena Schmidt
(…) Ich möchte Verena Schmidt aber auch geradezu widersprechen: Ihre Arbeiten hier haben durchaus eine feste Kontur, und sind durchaus Hauptdarsteller des Raums, den sie besetzen. Sie sind höchst doppeldeutig-ironische Wesen, deren Oberflächen und Strukturen sorgfältig gearbeitet und sensibel miteinander kombiniert wurden. „Kermit frisst“, „Mickey sitzt“, „Fleischersatz auf Schiene“; Materialien wie Seife, Pappmache, Marmor, gestopfte Nylonstrümpfe oder Absperrband — hinter ironischer Assoziation, augenzwinkernder Augentäuschung und gekonntem Material-upcycling lauern lauter existenzielle Fragen: Wie ist unsere Wahrnehmung der Dinge und Materialien definiert, die uns umgeben und mit denen wir uns umgeben? Beherrschen wir sie, oder beherrschen sie eigentlich uns? Wie sicher kann unser Urteil sein, wie offen sind wir noch für elementare Erfahrungen? Verena Schmidts graue Granitgebilde sind leicht wie Schaum, Fleisch ist nicht Fleisch ist Watte ist ein Korb voller Pflastersteine wie ein Kopf voller versteinerter Vorurteile.
Die biblische Beschwörung göttlicher Allmacht: „Er macht das Krumme gerade und das Raue glatt“ ist ebenso poetisch wie illusionär: Die Kunst aber kann das. Die Ausstellung ist eröffnet.
Aus der Rede zur Eröffnung am 15. Oktober von Rainer Ehrt