Im Gespräch mit Siegfried Grauwinkel

 

„Mit jeder Arbeit, die ich zu Hause habe und betrachte, ist eine Geschichte verbunden.“

 

Siegfried Grauwinkel, 1944 in Bernau geboren, lebte und führte eine Generalvertretung für Leuchten und Elektrotechnik in Berlin, seit 10 Jahren wohnt er in Kleinmachnow. Vor drei Jahrzehnten begann er Kunst „aus dem Bauch heraus“ zu kaufen. Seit etwa 15 Jahren, nachdem er in den Ruhestand wechselte, sammelt er gezielt Arbeiten aus den Bereichen Minimalismus, Konkret, Konstruktivismus und Konzeptkunst sowie  Arbeiten der Gruppe Zero. Seit 2014 richtet er seine Sammlung auf „Kunst nach 1960 in Europa“ aus. Im Gespräch erzählt er, wie er dazu kam, Kunst zu kaufen und dann zu sammeln, wie schwierig es ist, den Wert eines Kunstwerks auszuloten und warum ein Bild eine Geschichte haben muss.

 

Wie ist der Wunsch entstanden Kunst zu kaufen?

Während einer Reise in Nordamerika spazierten ein Geschäftsfreund und ich am Wochenende durch die City von Toronto. Der Geschäftsfreund verschwand plötzlich in einer Galerie. Als er wieder herauskam, hatte er für 45.000 DM zwei Arbeiten erworben. Diese hohe Summe für zwei farbige, für mich in diesem Moment nichtssagende Leinwände,  auszugeben,  das hat zwei Jahre in mir gegärt und plötzlich brach es aus mir heraus. Ich habe dann ähnlich gekauft, zunächst sehr viel aus dem Bauch heraus.

Das erste Bild zu kaufen – Wie war das ?

Auf einer Ausstellung innerhalb meiner Branche, in einem Leuchtenhaus, hat der Inhaber Kunst gezeigt. Da habe ich zugeschlagen, eine Arbeit für 2000 DM, die nur aus einem Brushstroke bestand. Diese eine Arbeit hatte mir gefallen. Ich musste diesen Kauf gegenüber meinen Freunden und meiner Familie verteidigen, das ist mir irgendwann gelungen. Erst hieß es: So ein Unsinn, so viel Geld dafür.  Der Samen war dann gelegt und ging auf.

Aus dem Bauch heraus heißt: Ich sehe etwas, das mir gefällt und kaufe das?

Das funktioniert oft so: Du kommst in eine Galerie, es begrüßt dich der Galerist und er hat einen guten Spruch drauf. Dann macht er dich mit dem Künstler bekannt, der auch einen guten Spruch draufhat. Oder es ist eine Künstlerin und sie ist dann auch noch hübsch. Irgendwann hast du das dritte Glas Wein getrunken und plötzlich klebt da der rote Punkt. Das habe ich mir irgendwann verboten. Spontankäufe gibt es heute bei mir nicht mehr. Die Neuerwerbungen müssen in die Sammlung passen.

Gab es dann eine bestimmte Richtung, Malerei, Grafik oder Skulpturen?

Ich sammle in der Hauptsache Malerei. Ich habe zunächst viel Grafik erworben. Das Problem ist da das unglaublich große Angebot. Zu Beginn musste es mir einfach nur gefallen. Ich habe nie nur aus Spekulationsgründen gekauft. Und dann ist die Frage, was gefällt mir? Als ich noch einen hektischen Beruf hatte, haben mir überwiegend Arbeiten gefallen, die eine Ruhe ausstrahlen. Wenn ich den Hörer nach einem anstrengenden Telefonat aufgelegt und mich zurückgelehnt habe, habe ich in meinem Büro auf eine Arbeit von Manfred Schling geschaut. Es kam mir vor, als schwebte ich da hinein, und ich fühlte mich wieder wohl. Vielleicht deswegen findet man bei mir viele Werke in der Farbe Blau.

Wie wurde aus ‚Kunst kaufen’ dann ‚Kunst sammeln‘?

Ich denke, das kommt, wenn man sich lange und intensiv damit beschäftigt, und sich dann fragt: Warum willst du von diesem Künstler diese Arbeit und nicht eine andere? Irgendwann stellte ich mir die Frage: Wo willst du eigentlich hin?  Ich merkte, du kannst nie ein Sammler sein, der akzeptiert wird, wenn du nur ein Sammelsurium hast. Peter Raue hat einmal gesagt: Ich habe keine Kunstsammlung, sondern ein Konglomerat von Kunstwerken. Das war für mich die Initialzündung, meine Sammlung auszurichten,  und später nur noch konkrete Kunst zu kaufen.

Wie wichtig ist der Kontakt zum Künstler, zur Künstlerin?

Vieles kann man aus Büchern erfahren, aber was ich von den Künstlern höre, bringt sie mir näher – oder nicht. Mit jeder Arbeit, die ich zu Hause habe und betrachte, ist eine Geschichte verbunden. Wenn der Künstler sympathisch ist und mich mit seiner Ansicht überzeugt, warum dieses Bild genau so entstanden ist, dann kann ich es bei mir zu Hause ins Wohnzimmer hängen. Aber wenn ich irgendwelche kruden Ideen höre, dann ziehe ich mich zurück.

Gab es auch einmal richtig Ärger mit einem Kauf?

Ja, mit einer Arbeit von Vasarely, den ich unbedingt für meine Sammlung noch brauchte und die ich in Paris erworben hatte. Ich bin extra hingeflogen und habe mir die Arbeit angesehen, habe dort aber noch nichts Ungewöhnliches wahrgenommen. Als die Arbeit bei mir zu Hause gehängt und fachmännisch ausgeleuchtet war, habe ich es sofort gesehen. In den vielen Quadraten und Rechtecken von Vasarely schimmerten vier kleine Quadrate falsch, also eindeutig dilettantisch restauriert. Da habe ich mich sehr geärgert. Die Arbeit ging wieder zurück –  obwohl sich die Galeristin zunächst geweigert und später die Rückzahlung nur in Raten vorgenommen hat. Zweimal 700 Euro für die Fracht musste ich trotzdem bezahlen. Aber das war es mir wert. Ich wollte diese Arbeit nicht im meiner Sammlung haben.

Also auf Qualität zu achten ist wichtig. Gibt es noch ein paar Tipps zum Kunst kaufen?

Ich bin Kaufmann. Ich handele. Das hat sich immer bewährt. Man will ja nicht freiwillig Geld hergeben, wenn  man nicht unbedingt muss. Diese Einstellung hat mir in der Branche schon viele Negativpunkte eingebracht und ein gewisses Image. Aber wenn jemand nicht bereit ist, darauf einzugehen, dann bitteschön. Bei Galerien ist es ja üblich, dass man mit 10 Prozent Rabatt erwerben kann. Bei Künstlern ist es sehr unterschiedlich.  Eine Künstlerin hat mir einmal vorgeworfen: Sie wollen, dass ich hungere. Ich  habe geantwortet: Nein, das will ich nicht. Ausschlaggebend beim Kunstkauf sind nicht der Materialwert und die Arbeitszeit, es kommt immer auf die Reputation des Künstlers an. Ein Gerhard Richter ist nach den ersten beiden Kriterien,  Materialwert und Arbeitszeit, vielleicht 10.000 Euro wert, aber ein Bild von Richter kostet eine Million. Es kommt darauf an die Spanne auszuloten zwischen dem, was der Künstler unbedingt haben muss, und dem Preis, den er aufruft. Wer als Sammler ernst genommen werden will, sollte auch darin professionell sein.

Was ist nun in Kleinmachnow zu sehen?

In Kleinmachnow werden überwiegend Berliner Künstlerinnen und Künstler zu sehen sein, die so genannten „Wilden“,  von denen einige inzwischen relativ berühmt geworden sind. Ich zeige Arbeiten unter anderem von Wolfgang Petrick, Ina Lindemann,  Thomas Kleemann, Frank Gottsmann und Reinhard Dickel.

Die Fragen stellte Susanne Schmitt.  

Foto: Die Brücke Kleinmachnow / Wolfgang Meier-Kühn


Ausstellung im Landarbeiterhaus Kleinmachnow, Zehlendorfer Damm 200, **Preview am 31. Oktober ab 16 Uhr – 1. November 2020 – Geöffnet 14 -18 Uhr,  Eintritt frei


Bitte beachten sie die Hinweise zum Besuch im Landarbeiterhaus

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